Montag, 19. Juni 2017

22. Archivwissenschaftliches Kolloquium in Marburg

Liveblog. Es wird noch korrigiert!

#AWK22

"Nicht nur Archivgesetze ... Archivarinnen und Archivare auf schwankendem rechtlichem (sic!) Boden?"
Best Practice - Kollisionen - Perspektiven

Hier gibt es das Programm: Flyer.

Frau Dr. Irmgard Christa Becker eröffnet die Tagung.
Archivrecht ist mittlerweile kein Nischenthema mehr. Das heutige Kolloquium ist mit knapp 250 Teilnehmern das mit großem Abstand größte Kolloquium dieser Art.

Archivgesetze sind Querschnittsgesetze, die zwar überall in der Verwaltung gelten, aber nicht immer akzeptiert werden. Hier gibt es noch viel zu tun. Zudem gibt es Wechselbeziehungen zum Datenschutz- oder Informationsfreiheitsrecht. Hier liegen viele Herausforderungen.

Dr. Clemens Rehm hält den Eröffnungsvortrag.
Digitalisierung macht die Dinge rechtlich kompliziert. Zugleich hat sich auch der Beruf gewandelt. Das Internet ermöglicht die pro-aktive Verbreitung von Inhalten für Archive. Nutzer erwarten Open Access. Hier kommt aber das Urheberrecht in einer neuen Dimension ins Spiel.

Zugang wird wichtiger und löst den alten Begriff der Nutzung zunehmend ab. Hier kommen Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze ins Spiel sowie die Weiterverwendung von Informationen.

Große Dynamik in der Gesetzgebung. Archivgesetze werden fragmentarischer, weil viele wichtige Aspekte von Informationsfreiheit, Datenschutz Urheberrecht und dergleichen außerhalb des Archivrechts geregelt werden. Archive müssen diese Bestimmungen beachten. Diese Gesetze sind teilweise wichtiger als Archivgesetze.

25. Mai 2018 wird EU-Datenschutzgrundverordnung mit dem Recht auf Vergessenwerden geltendes Recht. Daraus ergeben sich Änderungen auch in den Archivgesetzen. Seit 2015 gilt das Informationsweiterverwendungsgesetz auch für Archive. Archivrelevante Regelungen werden in Zukunft außerhalb der Archivgesetze geregelt. Unangenehm ist hier, dass Archive in der politischen Wahrnehmung eher unwichtig sind.

Neben Einschätzungen von Datenschutzbeauftragten sind auch Urteile für Archive wichtig, z.B. das Mappus-Urteil zu den gesicherten eMails: Vorrang des Archivrechts vor dem allgemeinen Datenschutzrecht ist verfassungsrechtlich in Ordnung.

Zweite Novellierungswelle der Archivgesetze seit 2010. Immer noch keine Vereinheitlichung: Unzulässig erhobene Daten können nicht immer gesichert werden, Schutzfristen sind unterschiedlich ebenso das Verhältnis zum Informationsfreiheitrecht. Ist die föderale Vielfalt sinnvoll?

Alles das erfordert eine archivrechtliche Debatte, aber auch gemeinsame Ziele. Zunächst sollte man über archivrechtliche Vereinheitlichungen nachdenken. Das erleichtert die Rechtsanwendung und kommt auch (Schutzfristen!) den Nutzern entgegen.

Archivgesetze sollen als Spezialgesetze gesichert werden. Der Vorteil: alle relevanten Regelungen in EINEM Gesetz.

Vermieden werden sollte eine Vermengung von Archiv und Verwaltung, die bei Schutzfristverkürzungen oft beteiligt werden, damit die Verwaltung nicht ihre eigene Kontrolle regulieren kann.

Archivgesetze ist zudem die besseren und in der Sache weitergehenden Informationsfreiheitsgesetze. Ein weitere Problemfeld ist die Übernahme personenbezogenen Daten. Datenschutzgesetze sind oft bekannter als Archivgesetze, daher macht es Sinn, Übernahmebestimmungen im Datenschutzgesetzen zu regeln. Das jedoch führt zu einer Aushöhlung der Archivgesetze als Spezialgesetze.

Archive sollte sich bemühen, frühzeitig in Gesetzgebungsverfahren eingebunden zu werden. Alltagsprobleme sollten benannt werden, damit der Gesetzgeber Ideen bekommt. Es geht darum, archivische Themen in nicht-archivischen Gesetzen (Löschungen und Abgaben, urheberrechtliche Befugnisse) und auch nicht-archivische Themen in Archivgesetzen (etwa IT-Sicherheit) zu etablieren.

Archive sollten nach Partnern Ausschau halten, um in der Gesetzgebung und in der Politik etwas zu erreichen.

Allerdings sollten Archive nicht nur reaktiv vorgehen, sondern sich als Einrichtungen glaubwürdiger und authentischer Information auch pro-aktiv positionieren. Wäre es sachgerecht, erweiterte Archivgesetze zu schaffen, die auch Vorschriften über die Aktenführung und dergleichen enthalten. Überlegt wird, ob und wie Archive das Gedächtnis der digitalen Gesellschaft aufspeichern. Sollten Archive Blog und Social Media archivieren?

Rehm betont, dass Archivare nicht weisungsgebunden arbeiten. Wäre es sinnvoll, dass Archive verwaltungsorganisatorisch verselbständigt werden? Das wird mit Blick auf die notwendige Nähe zur Verwaltung eher skeptisch gesehen.

Archivgesetze waren ursprünglich bereichsspezifische Datenschutzgesetze und in der Sache auch Informationsfreiheitsgesetze. Sie entwicklen sich im Kern zu Transparenz- und Demokratiegesetzen. Es wird zum Schutz der Überlieferung für eine Aufwertung des Archivstrafrechts plädiert.

Datenschutz, Open Access, Datenvernichtung und Transparenz sind künftige Kernthemen. Den Stellenwert des Archivwesens wird man künftig an seinem Einfluss auf die Gesetzgebung ablesen.

In der ersten Sektion geht es um Überlieferungsbildung.
Gesetze und Verwaltungspraxis erschweren die Überlieferungsbildung. Sind die Archivgesetze hier eine sichere Grundlage? So führt Prof. Dr. Michael Scholz kurz in das Thema ein.

Dr. Andrea Hänger spricht über "Das Recht auf Vergessenwerden - Die EU-Datenschutzgrundverordnung und ihre Bedeutung für die Archive."
Die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und ihre Auswirkungen auf die Archive wird vorgestellt. Es geht lässig los. Zunächst wird der Film von David Bernet "Democracy - Im Rausch der Daten" als gute Einführung in das Thema empfohlen.

Ausnahmen für Archive in der DSGVO: Art. 5 (Zweckgebundenheit und Speicherbegrenzung), Art. 9 (Umgang mit besonderen Kategorien personenbezogener Daten), Art. 14 (Informationspflicht des Betroffenen), Art. 17 (Recht auf Löschung).

Das Recht auf Löschung gilt nach Art. 17 Abs. 3 d) DSGVO nicht, wenn im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke ernsthaft beeinträchtigt sind.

Hinzu kommen Ausnahmen im nationalen Recht zu regelnde Ausnahmen für Archive in Art. 89 DSGVO (Öffnungsklauseln):
- Auskunftsrecht der betroffenen Personen, Art. 15
- Recht auf Berichtigung, Art. 16
- Recht auf Einschränkung der Verarbeitung, Art. 17
- Mitteilungspflichten bei Bearbeitung personenbezogener Daten, Art. 19
- Recht auf Datenübertragbarkeit, Art. 20
- Widerspruchsrecht, Art. 21
Hier kann der nationaler Gesetzgeber abweichende Regelungen treffen.

Auf Bundesebene ist in § 28 des neuen BDSG die Datenverarbeitung für Archivzwecke geregelt.

Anpassungsbedarf im Bundesarchivgesetz (geplant für 2018):
- Anpassung an Terminologie der DSGVO (Unterschied zwischen lebenden und verstorbenen Personen notwendig)
- Anpassung an die Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung durch den Gebrauch der Öffnungsklauseln.
- Regelungen zu den Betroffenenrechten
- Anpassung der Regelungen zur Vervielfältigung und Übermittlung (Datenaustausch)

Unter Archivjuristen ist es strittig, ob neben den Regelungen im Datenschutzrecht noch zwingend eine archivische Begleitgesetzgebung erforderlich ist, da hier in der Regel ohnehin nur die datenschutzrechtlichen Bestimmungen wiederholt werden.

Art. 40 DSGVO zielt auf Verhaltensregeln. Hier werden die europäischen Archive ein gemeinsames Dokument erarbeiten. Dieses Dokument hat die Funktion eines Leitfadens. Der Titel wird lauten: "Verhaltensregeln für Archiv-Verwaltungen".

Archive werden technische und organisatorische Maßnahmen zum Datenschutz implementieren (Art. 25: Datenschutz durch Technikgestaltung) und sich verstärkt mit Datenminimierung und Pseudonymisierung befassen müssen, soweit sie mit personenbezogenen Daten umgehen. Hier liegen besondere Herausforderungen für die Überlieferungsbildung.

Dr. Jost Hausmann spricht über "Sicherung im Vorfeld - Aktenvernichtung und - entfremdung als Rechtsfrage."
Die Unveräußerlichkeit von Archivgut ist allgemein anerkannt. Als positives Beispiel wird die Sächsische Regelung einer Widmung genannt. Was kann man aber tun, wenn im Vorfeld der Archivierung Akten und Schriftgut gar nicht erst in das Archiv kommen?
Es werden die verschiedenen rechtlichen Probleme dargestellt, die Archive haben, um abhanden gekommenes Archivgut oder noch nicht im Archiv befindliches Archivgut zu sichern. Die unterschiedlichen Probleme werden anhand mehrerer Praxisbeispiele illustriert. Ein Schwerpunkt dabei bildete der Verwahrungsbruch.

Dr. Clemens Rehm spricht über "Löschkultur versus Anbietungspflicht - eine Standortbestimmung
Im Zuge einer erhöhten datenschutzrechtlichen Aufmerksamkeit kommt in der Praxis immer wieder die Löschung vor einer Archivierung. Oft sind es Unkenntnis oder Bequemlichkeit, die zu Aussonderungen in der Verwaltung ohne Beteiligung des Archivs vorkommen. Zudem wird die Kooperation mit dem Archiv wir als zu arbeitsaufwändig empfunden. Aber auch die Archive haben personelle Probleme: 5% der Arbeitszeit stehen für die Überlieferungsbildung zur Verfügung.

Archive brauchen ein uneingeschränktes Zugangsrecht zu den Unterlagen und zugleich eine eindeutige Anbietungspflicht mit klaren Fristen.

Ein Zugang "im Einvernehmen" mit der abgebenden Stelle, so die Formulierung des Bundesarchivgesetzes, ist nicht optimal.

Ein "Anbietungssurrogat" im Sinne einer Benutzung bei der abgabepflichtigen Behörde nach einer bestimmten Frist führt zu einer Herausbildung von Behördenarchiven.

Ein wichtiger Schwerpunkt war das Löschsurrogat, dessen unterschiedliche Ausgestaltung in der Praxis dargestellt wird.

§ 23 Abs. 3 LDSG BaWü: Regelung der Abgabe an das Archiv als Löschsurrogat. Es dient der Sichtbarkeit in der Verwaltung, wenn diese Bestimmung im Datenschutzgesetz geregelt wird. In Hessen und in NRW ist das Löschsurrogat archivgesetzlich geregelt.

§ 5 Abs. 2 Sächsisches Archivgesetz ist für die Archivierung unzulässig erhobener Daten vorbildlich.

Ziel ist, das Löchsurrogat in Spezialgesetzen verankern, der aber am besten in den Archivgesetzen allgemein normiert werden sollte.

In der zweiten Sektion geht es um Zugang ermöglichen.
Dr. Martina Wiech führt kurz in das Thema ein.

Dr. Mark Steinert spricht über "Vorlage und Versand - Urheberrecht in der Nutzung".
Zunächst wird eine kurze Einführung in der Urheberrecht gegeben. Dabei wird betont, dass die Nutzung von Schranken die vorherige Publikation eines Werkes voraussetzen. Das ist gerade bei Archivalien ein Problem, so dass sich aus urheberrechtlichen Gründen ernste Nutzungshindernisse ergeben können.

Um dieses Problem zu umgehen, sollten bei der Übernahme von Unterlagen immer auf ausreichende Nutzungsrechte eingeräumt werden, sofern dies möglich ist.

Es werden die archivrelevanten Schranken vorgestellt. Dabei wird betont, dass diese Schranken nur für erschienene Werke gelten. Hier freilich stellt sich die Frage, ob die Übergabe von Material an ein öffentliches Archiv als Veröffentlichung zu werten ist. Das wird in aller Regel zu verneinen sein, zumal ein "Jedermann-Recht" der Einsichtnahme erst in den jüngeren Archivgesetzen zu finden ist.

Gibt es eine Privatkopie von Archivgut? Betont wird, dass es kein Recht auf Privatkopie. Denkbar ist aber eine Kopie für den eigenen wissenschaftlichen Gebrauch. Allerdings diese Kopie auf ein veröffentlichtes Werk zu beschränken.

Dr. Jost Hausmann spricht über "Der anonyme Nutzer - neue Herausforderungen"
Archivgesetze sehen für die Nutzung in der Regel eine Namensnennung voraus. Es werden Beispiele aus der "Reichsbürgerszene" angeführt. Im Informationsfreiheitsrecht ist die Feststellung der Identität des Antragstellers erforderlich. Setzt sich das ins Archiv hinein fort?

Dr. Christine Axer spricht über "Informationsfreiheit im Archiv - Stand und Perspektiven"
Zu Beginn wird ein kurzer Überlick zu den Informationsfreiheitsgesetzen gegeben. Neu ist der voraussetzungslose Zugang zu amtlichen Informationen. Sie strahlen auf die Archivgesetze aus.
Archivgesetze sind Informationsrecht und zugleich Kulturgüterrecht.

Wo gibt es Anpassungsbedarfe zwischen Informations- und Archivgesetzen. Der erste Unterschied ist, dass es im Archivgesetz kein durchgehendes Jedermann-Recht im Archivrecht gibt. In den Benutzungsanträge sind fast durchgängig Zwecke anzugeben. Das nächste Problem sind die Schutzfristen, die es im Informationsfreiheitsrecht ja nicht gibt. Der Vorteil der Schutzfrist ist, dass das Archiv von Einzelfallprüfungen entlastet werden. Daher wird für eine Beibehaltung der Schutzfristen plädiert. Hier gibt es zwei Lösungswege: der Informationszugang setzt sich im Archiv ohne Schutzfrist fort, andere meinen, Unterlagen seien durch die Informationsfreiheit bereits publiziert. Problematisch sind Lösungen, die eine IFG-Prüfung von Archivalien der Verwaltung zuweisen.

Man kann sagen: Archivgesetze prüfen mit Schutzfristen pauschal, Informationsfreiheitsgesetze prüfen stets einzelfallbezogen.

Aufbewahrung ist in der Verwaltung zeitlich befristet, im Archiv unbefristet. Der unbefristeten Aufbewahrung kommt das System der Schutzfristen entgegen.

Vorschlag: Bessere Ausgestaltung bei der Schutzfristverkürzung. Sie könnte als subjektiv-öffentliches Recht ausgestaltet werden.

In der dritten Sektion geht es um "Zugang schaffen".
Dr. Karsten Uhde führt in das Thema ein.

Vinzent Lübben spricht über "Stolperfallen im Netz - Postmortaler Datenschutz und die Belange von Hinterbliebenen"
Es geht untechnisch gesprochen um postmortalen "Datenschutz". Durch die große Reichweite des Internet gibt es immer wieder Widersprüche und Eingaben von Hinterbliebenen, wenn Inhalte publiziert werden, die Verstorbene betreffen.

Konkretes Beispiel war eine Datenbank "Mindener Juden". Angehörige haben sich beschwert. Der Landesdatenschutzbeauftragte hat die fehlende Rechtsgrundlage beanstandet. Neben anderer Probleme wurde auch eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts moniert.

Ein ähnlicher Fall in München, wo es um die Digitalisierung von Personenstandsregistern ging, wurde auch vom Landesdatenschutzbeauftragten beanstandet.

In beiden Fällen wurde auch angemerkt, dass Rückschlüsse auf lebende Personen möglich sind.

Zur Rechtsgrundlage wurde angemerkt, dass in den Archivgesetze, die leges speciales zu Datenschutzgesetzen sind, eine Grundlage für die Netzpublikation solcher Inhalte gegeben ist. Soweit eine Internetnutzung nicht ausdrücklich vorgesehen ist, könnte es aber ein Problem sein, dass Nutzung von Archivgut nur "auf Antrag" möglich ist.

Gibt es ein Datenschutzproblem? Einen postmortalen Datenschutz gibt es nicht. Was ist aber mit dem postmortalen Persönlichkeitsrecht? Es gibt den ideellen Teil des Rechts und vermögensrechtliche Bestandteile. Diese Rechte verblassen mit der Zeit. Die Schutzfristen der Archivgesetze sind für diese Rechte ausreichend.

Was ist mit den Hinterbliebenen? Nach strittiger Ansicht könnte mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung argumentiert werden. Dies sollte aber eng ausgelegt werden.

Soweit eine Verknüpfung personenbezogener Daten geht, enthalten Archivgesetze eine ausreichende Rechtsgrundlage.

Als Fazit wird für Zugang zu solchen Daten plädiert! Es sollte aber in jedem Fall eine sorgfältige Abwägung der Betroffenenrechte erfolgen. Es ist ratsam, die Rechtsgrundlage der Publikation und deren Zweck zu benennen. Ein möglicher Ausweg: Gestufte Öffentlichkeit: weniger im Netz, mehr im Intranet.

Dr. Christian Reinhardt spricht über "Mit fremder Hilfe - Kooperation bei Digitalisierung und Indizierung"
Es geht um Kooperationen mit kommerziellen genealogischen Dienstleistern, die eingegangen werden, um Digitalisierungen realisieren zu lassen, wobei der Dienstleister eine gewisse Zeit exklusive Nutzungen eingeräumt bekommt.

Hier gibt es mehrere Problemkreise.

Zunächst geht es um Auftragsdatenverarbeitung. Im Archivgesetz gibt es keine Regelung für die Weitergabe von noch geschützten Daten. Auch das Datenschutzgesetz enthält keine entsprechende Regelung. Eine endgültige Übermittlung ist daher nicht erlaubt. Aber: Verarbeitung personenbezogener Daten im Auftrag wäre möglich. Dabei bleibt das Archiv "Herr der Daten". Der Auftragnehmer darf die Daten nicht selbst nutzen. Es gibt einen Mustervertrag auf der Seite des Hessischen Datenschutzbeauftragten.

Wie sieht es mit der Weiterverwendung nicht mehr geschützter Daten aus? Einschlägig ist das IWG. Gibt es die Möglichkeit einer exklusiven Nutzung? Es gibt eine Ausnahme bei der Digitalisierung von Kulturbeständen nach § 10 IWG möglich.

Dr. Benjamin Kram spricht über "Archive und social media - Das Beispiel Facebook im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen"
Skizziert werden die rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Einrichtung von Social Media. Für Behörden sind solche Portale wegen des üblichen "Dienstweg-Denken" schwierig, weil Inhalte schnell und dezentral erstellt werden. Interessantes Nebenproblem: Kann ein Facebook-Account im Archiv als Depositum übernommen werden?

Zunächst: § 5 TMG - Es gilt Impressumspflicht! Das Impressum muss leicht und unmittelbar erreichbar sein. Es wird die Nutzung von "Impressumsgeneratoren" empfohlen. Nach § 13 TMG muss zudem eine Datenschutzerklärung zu finden sein. Der Nutzer muss über Art, Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten informiert werden. Auch hier gibt es "Datenschutzgeneratoren".

Es empfiehlt sich, Social Media Guidelines zu erstellen, um mögliche Rechtsrisiken zu minimieren. Dabei sollte auch kommuniziert werden, welcher Zweck mit dem Social Media Auftritt angezielt wird.

Zur Illustration wird ein Youtube-Video von Tschibo empfohlen:
"Herr Bohne geht ins Netz"

In der vierten Sektion geht es um "Weiterverwendung"
Dr. Irmgard Christa Becker führt in das Thema ein.

Andreas Nestl spricht über "Alles frei? - Die Folgen des Informationsweiterverwendungsgesetzes für Archive"
Zunächst werden die Hintergründe des IWG dargestellt, die in der PSI-Richtlinie liegen. In der Novelle der Richtlinie von 2013 wurden auch die Archive, Museen und Bibliotheken in den Anwendungsbereich der Richtlinie einbezogen. Soweit Archive vom IWG erfasst werden, haben sie die Pflicht, die Weiterverwendung von bei ihnen vorhandenen Informationen zu gestatten.

Staatliche und kommunale Archive sind unproblematisch öffentliche Stellen im Sinne des Gesetzes. Die im Archiv befindlichen Unterlagen fallen in der Regel unter den Informationsbegriff des Gesetzes. Die Informationen müssen zudem zugänglich sein. Soweit es einen Zugang als "Jedermann-Recht" gibt, dann greift das IWG unzweifelhaft. Aber auch die Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses ist im Ergebnis unschädlich.

Urheberrechtlich geschützte Werke müssen nicht nach IWG gestattet werden?

Was ist mit eigenen Schutzrechten? Soweit eigene Schutzrechte des Archivs bestehen, kommt IWG auch nicht zur Anwendung Hier können vor allem Leistungsschutzrechte eingreifen. Genannt werden Datenbanken und Investitionen. Hier kann das Archiv eine Weiterverwendung zulassen, muss es aber nicht.

Aus dem IWG ergeben sich keine Digitalisierungsverpflichtungen. Für die Digitalisierung von Kulturbeständen dürfen mit privaten Dienstleistern exklusive Vereinbarungen geschlossen werden. Archive dürfen Entgelte verlangen. Zudem können Nutzungsbestimmungen für die Weiterverwendung erlassen werden.

Die PSI-Richtlinie soll bis zum 18. Juli 2018 überprüft werden.

Das IWG schafft keinen neuen Zugang. Auch ist nicht alles kostenlos. Neu ist nur, die rechtlich abgesicherte Weiterverwendungsmöglichkeit.

Dr. Dominik Scholl spricht über "Offene Archivdaten als Chance - Vermittlung, Vernetzung und Nachnutzung von Archivgut in der digitalen Welt".
Freies Wissen ist kostenfreies und frei nachnutzbares Wissen. Die Nachnutzbarkeit wird insbesondere durch freie Lizenzen gewährleistet. Am bekanntesten sind die CC-Lizenzen. Eine wichtige Grundidee: Was frei und Allgemeingut ist, muss frei und Allgemeingut bleiben.

Wesentliche "Produkte" der Wiki-Familie werden vorgestellt. Dabei wird auf glaubwürdige Informationen Wert gelegt. Hier treffen sich der Anspruch der Wikipedia und der Auftrag der Archive.

Zitate und Artikel bei Wikipedia werden von Archiven teilweise zur Relevanzbewertung genutzt. Die Kooperation von Bundesarchiv und Wikimedia wird als interessantes Beispiel angeführt. Dabei wurde deutlich, wie wichtig gut Metadaten sind.

Bei frei zugänglichen Bildern können Nutzer im Netz bei der Erschließung helfen.

Abschließend wird WIKIDATA und das Prinzip LOD kurz vorgestellt.

Prof. Dr. Eric Steinhauer spricht über "Das geplante Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz und die Archive"
Nach einem kurzen Überblick zu den aktuellen, speziell Archive betreffenden Regelungen im UrhG werden die archivbezogenen Neuregelung im UrhWissG vorgestellt. Problematisch könnte zum einen die neue Terminal-Schranke werden, da ihre Beschränkungen für Archivgut nicht sachgerecht sind, zum anderen der geplante Ausschluss der Archive aus der Dokumentlieferung. Unabhängig davon nimmt das UrhWissG spezifische Problemlagen der Archive, die bei Umgang mit unveröffentlichten Werken auftreten, nicht in den Blick. Die aktuelle rechtspolitische Debatte zeigt zudem, dass das Wissenschaftsurheberrecht mit dem dort anzutreffenden aggressiven Verlagslobbyismus kein geeigneter Kontext für eine archivbezogene Urheberrechtsgesetzgebung ist. Sinnvoller scheint es da, im Kontext von Kulturerbe-Themen wie der Nutzung verwaister Werke und dergleichen eine rechtspolitische Neuaufstellung für ein besseres Archivurheberrecht zu versuchen.

Die Veranstaltung endet mit einer Podiumsdiskussion, die hier wegen eigener Teilnahme nicht dokumentiert wird.