Montag, 29. Mai 2017

UrhWissG jetzt auch faktenfrei in BILD

Das UrhWissG ist jetzt mittlerweile auch in der BILD angekommen. Kritisiert wird, dass der neue Gesetzentwurf die Digitalisierung und Nutzung von Verlagsangeboten durch Wissenschaftler und Bibliotheken ermöglicht, ohne dass diese dafür zahlen müssen. Richtig ist, dass das UrhWissG die schon immer vergütungspflichtigen Schrankenbestimmungen des UrhG lediglich neu formuliert, in Randbereichen reformiert und im Übrigen in der Sache unverändert gelassen hat.

In Teilen ist es sogar zu Verschärfungen des geltenden Rechts gekommen, indem nämlich Bibliotheken die bislang zulässige Dokumentlieferung an gewerbliche Nutzer untersagt wird. Künftig können Verlage dieses Geschäft exklusiv selbst übernehmen.

In den letzten Wochen hat insbesondere die FAZ scharf gegen das Gesetz geschossen. Diesen Vorgang greift die BILD-Zeitung nun auf, um daraus – wir sind ja schon im Vorwahlkampf – eine Attacke gegen den Bundesjustizminister zu reiten.

Grundlage für die Meldung bei BILD ist zunächst eine Protestnote von 6.000 Wissenschaftlern, wobei vor allem der Bestseller-Autor des Beck-Verlages Jürgen Osterhammel mit einem Bezug zur Kanzlerin, dessen Laudatio zu ihrem 60. Geburtstag er gehalten hat, genannt wird. Das ist geschickt, signalisiert es doch: Staatstragende Kreise sind gegen das Gesetz! Dass die Kanzlerin selbst hinter diesem Gesetzentwurf steht, der im Bundeskabinett beschlossen wurde, sei nur kurz vermerkt.

Mit der vor allem von älteren Wissenschaftler und Pensionären gezeichneten „Protestsnote“ ist offenbar die Unterschriften-Aktion „Publikationsfreiheit.de“ gemeint. Zu den Hintergründen dieser Aktion sowie den irreführenden Behauptungen der die Kampagne tragenden Verlage, kann man sich hier informieren:



Neben Publikationsfreiheit.de ist Grundlage der BILD-Meldung nur noch die Berichterstattung der FAZ. Diese kann man freilich nur als gezielte Desinformationskampagne bezeichnen. Wäre der Begriff nicht so politisch problematisch besetzt, „Lügenpresse“ würde in diesem Fall passen. Die Fakten zum jüngsten FAZ-Beitrag am Samstag und den Anzeigen der Zeitung jeweils zu den Sitzungstagen von Bundesrat und Bundestag kann man hier nachlesen:



Vor diesem Hintergrund hat die Bezeichnung der FAZ als „renommiert“ in dem BILD-Artikel satirische Qualitäten. Eine Zeitung, die sich zu einem Kampagnenblatt herabwürdigt und mit grob unwahrer Berichterstattung Klientelpolitik betreibt, hat mit guter journalistischer Arbeit nicht viel zu tun. Dass es jetzt einen Schulterschluss von BILD und FAZ gibt, ist da nur folgerichtig. Willkommen auf dem Boulevard, liebe FAZ!

Und natürlich fällt in dem Beitrag das Wort vom Qualitätsjournalismus, der nicht untergraben werden darf. Das Gesetz freilich hat keine über die bisherige Rechtslage hinausgehende Auswirkung auf die Presse.

Was wir hier erleben ist eine Kampagne zugunsten einiger kleiner Wissenschaftsverlage, die mit dem Medienwandel (Digitalisierung, Internet) nicht zurechtkommen und verzweifelt versuchen, das Internet abzuschalten. Warum das Quatsch ist, kann man hier nachlesen:


Die Politik ist gut beraten, im laufenden Gesetzgebungsverfahren bei den Fakten zu bleiben und sich nicht von ein paar Einbläsern in der Presse irre machen zu lassen. Fakt ist nämlich, dass rund 3 Millionen Wahlberechtigte an den Hochschulen es merken werden, wenn die Reform des Wissenschaftsurheberrechts nicht funktioniert. Im September werden die Hochschulen, weil dann ein Moratorium mit der VG Wort ausläuft, ihre elektronischen Semesterapparate abschalten müssen. Diese Situation ist nicht fiktiv. Sie drohte schon einmal Ende 2016. Im September 2017 ist aber auch Bundestagswahl! Selbstverständlich werden die Hochschulen ihre Entscheidungen hochschulintern gut vernehmbar kommunizieren. Und natürlich werden dann auch Ross und Reiter genannt. Dagegen werden keine alternativen Fakten in der Presse helfen ...